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Liebe Eltern,

„Schulstress“ und Prüfungsangst“ sind Begriffe, die in der öffentlichen Debatte genauso wie in alltäglichen Gesprächen von Eltern eine große Rolle spielen. Natürlich sind Prüfungen aller Art eine Herausforderung, auf die die allermeisten Menschen mindestens mit einer gewissen Anspannung reagieren – und schon die Unterscheidung, ob es sich einfach um Lampenfieber oder regelrechte Prüfungsangst handelt, ist wichtig.

Lampenfieber bedeutet nichts anderes als ein erhöhtes Ausmaß an Aktivierung von Körper und Geist. Dieses wirkt leistungssteigernd und ist völlig normal, ja notwendig. Im Unterschied zur Prüfungsangst ist es zeitlich eng begrenzt (meist in den letzten Minuten vor der Prüfung); wenn es früher auftaucht, dann ist es immer nur eine kurze Episode. Lampenfieber behindert weder das Lernen vor der Probe noch die Leistung in der Prüfung selbst.

Eine regelrechte Prüfungsnervosität oder -angst hingegen geht viel tiefer: Sie führt zu Blockaden, Gedächtnishemmungen und Leistungsversagen. In schlimmen Fällen wird schon das Lernen vor der Prüfung belastet, so dass das Wissen gar nicht richtig verarbeitet werden kann. Diese Angst zerstört nachgewiesenermaßen die Leistungsfähigkeit.

Wir können hier keinen grundlegenden Artikel über Entstehung, biologische Hintergründe und Funktionsweisen, Auswirkungen usw. von Prüfungsängsten schreiben. Im Zentrum stehen vielmehr alltagstaugliche Hinweise und Empfehlungen.

  

Lampenfieber oder Prüfungsangst?

Was Kinder selbst tun können

  • Unabdingbar sind natürlich regelmäßiges Lernen und gründliche Vorbereitung. Wenn es hier hakt, nützen keine Entspannungstechniken und „Psychotricks“. Denn im Inneren weiß das Kind von seinen Wissenslücken, und das ist eine Bedrohung, die nicht einfach so beseitigt und weggeredet werden kann.
  • Bei fachlichen Schwächen ist gezieltes Üben Denn es gilt: Je fachlich sicherer sich ein Kind fühlt, umso geringer wird die Gefahr der Prüfungsangst. Sollten die Übungen aus Schulbüchern oder Heften nicht ausreichen, sind Lernhilfebücher oder Lernhilfen aus dem Internet nützlich, weil der Stoff dort auch in anderen Worten erklärt wird. Achten Sie aber darauf, ob die Lernhilfen wirklich zum aktuellen Stoff passen und ob unter den angebotenen Aufgaben auch solche sind, die dem Schwierigkeitsgrad einer Prüfung entsprechen, wie sie bei Ihrem Kind üblich ist. Denn nicht selten sind die angeblichen „Probeschulaufgaben“ viel einfacher, was Ihr Kind und Sie in falscher Sicherheit wiegt.
  • Wichtig für die Vorbeugung gegen Prüfungsangst ist ein rechtzeitiger Beginn der Vorbereitungen. (Siehe den Elternbrief zum Thema „Prüfungen effektiv vorbereiten“!) Vor allem muss gerade bei nervösen Kindern sichergestellt werden, dass drei, vier Tage vor der Prüfung die sichere Überzeugung da ist: „Ich habe alles kapiert, jetzt geht es nur noch ums Tempo.“
  • Und am letzten Nachmittagist es wichtig, dass solche Kinder nichts mehr für die Prüfung tun, was sie verunsichern könnte, z.B. noch eine Probeschulaufgabe bearbeiten. Die Gefahr, dass so kurz vor der Prüfung etwas misslingt und die vorhandene fachliche Sicherheit zerstört, ist viel zu groß. Was ein Kind zwei Tage vor der Prüfung sicher beherrscht, beherrscht es grundsätzlich auch in der Prüfung selbst – außer die Angst schlägt wieder zu und verdirbt die Demonstration der Kenntnisse.
  • Trotz ausreichender und erfolgreicher Vorbereitung bezweifeln manche Kinder vor allem kurz vor der Prüfung, z.B. am Abend (einer sehr kritischen Zeit des Grübelns), ob sie wirklich genügend gelernt haben. Nur zu sagen: „Du hast doch viel getan!“, reicht oft nicht. Besser ist es, die Lernmengezu veranschaulichen: Lassen Sie Ihr Kind alle Übungsblätter sammeln und breiten Sie sie am Abend vorher auf einem Tisch aus. Bilder sagen mehr als tausend Worte – so sieht Ihr Kind, was es alles getan hat. (Nebenbei gesagt: Sie sehen es auch und sind dann nicht in der Gefahr, die Selbstzweifel Ihres Kinds zu nähren.) Hilfreich ist auch der Blick darauf, dass viele Aufgaben im Laufe der Zeit richtig bearbeitet wurden. (Die Blätter aus den Zeiten, wo das noch nicht der Fall war, lege man einfach diskret unter andere.) Um die Richtigkeit vieler Übungsergebnisse hervorzuheben, kann man in der Mitte ein Blatt mit einem großen grünen Richtig-Haken platzieren. Für nervöse Kinder fotografiert man das Ganze und druckt das Bild aus – als eine Art fotografischer Talisman. Denn das, was Ihr Kind hier sieht, ist der sichtbare Beweis für die eigene intensive Vorbereitung. Ein solches Bild überzeugt den inneren Zweifler viel mehr als der im Zustand der Nervosität ohnehin nie richtig gelingende Versuch, sich an die Vorbereitungsmenge zu erinnern.
  • Mehr ist aber nicht immer besser!Wenn prüfungsängstliche Kinder zu viel üben, bleibt in ihrem Kopf unter Umständen hängen: „Ich brauche so viel Übung. Denn ohne das schaffe ich die Prüfung nicht, weil ich eigentlich zu blöd bin.“ Den richtigen Mittelweg zu finden, ist nicht leicht, v.a. bei Kindern, die dazu neigen, sich komplett in ihre Angst hineinzusteigern. Sollten Sie sich unsicher sein, wie Sie darauf reagieren, suchen Sie bitte die Hilfe von Beratungsfachleuten.
  • Bei Kindern, die von Ihrem Naturell her sehr sensibel und vielleicht sogar allgemein ein wenig ängstlich sind, können Entspannungsübungen Es gibt inzwischen eine Vielzahl sehr schöner und brauchbarer Bücher, Kassetten und CDs. Manche Kinder können freilich damit nichts anfangen. Ihnen nützen gegen Verspannungen aber oft Sport und körperliche Bewegung.

Natürlich kann nicht allein Ihr Kind die Bedingungen der Prüfungsängstlichkeit vermeiden.

Was Eltern tun können

  • Vermeiden Siebei Lernproblemen Äußerungen, die das Selbstvertrauen Ihres Kindes herabsetzen. Oft genug rutschen sie einem einfach heraus und sind gar nicht so ernst gemeint. Ein Kind jedoch baut sich aus solchen Sätzen, vor allem wenn es sie öfters hört, sein Weltbild zusammen. Ein paar Beispiele: „Stell dich nicht so an, das ist doch ganz einfach.“ Ihr Kind hört vielleicht heraus: „Ich bin zu blöd, um selbst einfache Dinge zu kapieren.“ ähnlich problematische Sätze sind: „Das lernst du ja nie!“, „Du hast immer so eine lange Leitung.“ usw. All diese Aussagen können die Leistungsfähigkeit Ihres Kindes untergraben.
  • Vermeiden Sie Strafen, denn diese fördern erwiesenermaßen Prüfungsängstlichkeit und senken die Leistungsfähigkeit, vor allem wenn sie mit Noten verknüpft sind. Oft wird übersehen: Noten sind tatsächlich auch von anderen Faktoren abhängig als vom vorangegangenen Lernen und vom Willen des Kindes.
  • Etwas anderes ist es, wenn Sie eine bestimmte Lernzeit einfordern oder vereinbaren und dann, wenn das Kind diese Leistung nicht erbringt, Konsequenzenfolgen lässt (z.B. dass Sie gewisse Freizeitvorhaben streichen). Die Lernzeit hat ihr Kind in seiner Hand – die Prüfungsanforderungen kann es nicht selbst bestimmen.
  • Von daher sollten Sie auch Belohnungen nicht mit Noten, sondern mit dem Lernaufwand koppeln. Wenn es nur von einem selbst abhängt, ob man eine Anforderung (hier den Lernaufwand) erfüllen kann, und auch Konsequenzen (Lob oder Tadel) klar definiert sind, schafft das Berechenbarkeit. Und Berechenbarkeit senkt Angst, Unberechenbarkeit erhöht sie.
  • Was Konsequenzen betrifft, ist eine besonders bedeutsam: Verknüpfen Sie niemals Noten mit emotionalen Konsequenzen wie Liebes- oder Zuwendungsentzug. Für Kinder sind Eltern die zentralen Bezugspersonen, auf deren Liebe und Zuwendung sie angewiesen sind. Falls Sie merken, dass Leistung für Sie so wichtig ist, dass Sie negative emotionale Reaktionen auf schlechte Noten nicht unterdrücken können, suchen Sie sich Rat bei einem Schulpsychologen oder einer Erziehungsberatungsstelle. Denn dann haben Sie ein Problem, das mögliche Leistungs- und Prüfungsprobleme Ihres Kindes verstärkt. Und Ihr Kind kann das nicht lösen.
  • Generell gilt: Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Kind und unternehmenSie oft etwas, bei dem jegliche Leistung nicht im Vordergrund steht. Ihr Kind hat einen der stärksten Schutzmäntel gegen Ängste, wenn es sich denken kann: „Egal ob ich gute oder schlechte Noten bringe, ich werde geliebt.“ und „Leistung ist sicher etwas Wichtiges, aber gute Beziehungen sind wichtiger.“
  • Aus der Forschung weiß man: Erziehung ist optimal, wenn sie emotionale Sicherheit, Klarheit, Berechenbarkeit und Konsequenz mit Hilfe zur Selbsthilfe Lassen Sie Ihr Kind nicht mit seinen Lernproblemen allein, sondern unterstützen Sie es. Natürlich können und sollen Sie nicht die Nachhilfelehrer der Nation sein. Aber es ist sehr wichtig, dass Sie Ihrem Kind bei der Organisation und Planung seiner Arbeit helfenund dadurch, dass sie mit ihm überlegen, wo es Hilfe bekommen kann, wenn weder Sie noch Ihr Kind ein Lernproblem lösen können.
  • Hilfe zur Selbsthilfe ist etwas anderes als Verwöhnung. „Verwöhnung“ in Bezug auf das Lernen hieße, dass Sie Ihrem Kind die Schwierigkeiten aus dem Weg räumen und für Ihr Kind z.B. Aufgaben machen. Solche Verwöhnungfördert die Prüfungsangst, weil Ihr Kind in einer Probe auf sich allein gestellt ist und merkt, dass es ohne Fremdhilfe die Anforderungen nicht bewältigen kann.
  • Falls Sie den Eindruckhaben, die Lehrkraft überfordere Ihr Kind oder reagiere in einer Weise, die ihr Kind ängstige, sprechen Sie zunächst mit ihr; manchmal handelt es sich tatsächlich nur um Missverständnisse, manchmal neigen Kinder dazu, bei einer schlechten Note automatisch davon auszugehen, die Lehrkraft möge sie nicht – und wenn die Note besser ist, lieben sie den Lehrer plötzlich. Falls Sie aber das Gefühl haben, das Gespräch habe nichts gebracht oder es seien mehr Kinder betroffen, reden Sie mit anderen Eltern darüber und bitten Sie den Klassenelternsprecher, in taktisch kluger Weise und diplomatisch mit dem Lehrer zu sprechen. Eine Unterredung hierzu kann allerdings nur zum Ziel führen, wenn Sie möglichst konkret benennen können, was die Angst ausmacht. Beispiele: unberechenbare Prüfungen (diese sind deutlich schwerer als alles, was vorher geübt wurde), unfreundlich-kalte Reaktionen auf Fehlleistungen des Kindes (solche emotionalen Dinge sind für Kinder sehr schlimm) usw.

 

„Zu Hause kann ich es, in der Prüfung nicht mehr.“

Wenn ein Kind dies feststellt, kann das Ausdruck von Prüfungsblockaden sein. Zugleich fördern wiederholte Erfahrungen dieser Art natürlich die Angst, denn das Kind gewinnt den Eindruck: „Egal, was ich mache, ich kann das Ergebnis einer Prüfung nicht beeinflussen.“

Allerdings lehrt die Erfahrung von Schulpsychologen/-innen und Lehrkräften: Wenn man genau hinschaut, stimmt oft der erste Teilsatz („Zu Hause kann ich es ...“) nicht wirklich. Dabei geht es nicht um Lüge, sondern um einen ungewollten Selbstbetrug. Zur Verdeutlichung einige Beispiele und Lösungsvorschläge:

Beispiel 1: Ein Kind kann gewisse Mathematik-Aufgaben rechnen, braucht dafür aber viel länger, als es in der Prüfung Zeit bekommt. Damit beherrscht es aber die Aufgaben nicht wirklich. Das Kind müsste vielmehr gezielt auf Zeit trainieren. Am besten geht das so: Stoppen Sie die Zeit, die Ihr Kind braucht. Bei einer gleichartigen (nicht der gleichen!) Aufgabe soll es versuchen, fünf oder zehn Sekunden schneller zu rechnen, nicht mehr. So arbeitet es sich schrittweise nach oben und geht in die Prüfung mit dem Gefühl: „Ich kann die Aufgaben nicht nur grundsätzlich lösen, sondern auch auf Tempo!“ Das macht stark.

Beispiel 2: Das Kind kann Aufgaben zwar schnell bearbeiten, aber die zu Hause bearbeiteten Aufgaben sind viel leichter als die in der Prüfung. Das kann an überzogenen Anforderungen des Lehrers liegen, aber unter Umständen hat man beim Üben nicht auf das richtige, angemessen schwere Übungsmaterial geachtet. Mit einfachen Aufgaben kann sich ein Kind geistig warmlaufen und üben, die Bearbeitung eines Aufgabentyps grundsätzlich zu beherrschen. Dann aber muss man Aufgaben verwenden, die dem Niveau einer Prüfung entsprechen.

Beispiel 3: Das Kind überprüft seine Fähigkeiten nur anhand von Aufgaben, die es schon gerechnet bzw. bearbeitet hat. Weil Kinder ein gutes (Kurzzeit-)Gedächtnis haben, fallen ihnen diese Aufgaben natürlich leicht. Die Fähigkeit, auch unbekannte Aufgaben zu lösen, kann man so aber nicht erfassen und ausbilden. Deshalb nach dem Trainieren anhand bekannter Aufgaben unbedingt unbekannte Aufgaben bearbeiten lassen!

Beispiel 4: Das Kind lernt einen Stoff nur von oben nach unten auswendig, ohne ihn verstanden zu haben. Fragen Sie insbesondere den Stoff in Sachfächern also nicht der Reihe nach, sondern kreuz und quer ab!

Anhaltende Prüfungsangst

Wenn Ihr Kind anhaltend unter Prüfungsangst leidet und die bisher beschriebenen Maßnahmen nicht weiterhelfen, sollten Sie den Rat von Beratungskräften (Schulpsychologen, Beratungslehrern) suchen. Anhaltende Prüfungsängste können viele Ursachen haben, die von methodisch schlechtem Lernverhalten über Beziehungskonflikte mit Mitschülern/-innen, (begründeten oder unbegründeten) Ängsten vor Eltern oder überzogenen Anforderungen an sich selbst bis hin zu tatsächlicher fachlicher Überforderung reichen. Manchmal haben Kinder (oder auch Eltern) v.a. im Übertrittsjahr an Realschulen oder Gymnasien schlichtweg falsche Vorstellungen über Notenbildung, Probezeiten, Vorrückungsbestimmungen, Folgen des Durchfallens aufgeschnappt und lassen sich davon leiten. All das lässt sich in Gesprächen mit Beratungsfachleuten klären. Gut gemeinte, aber ohne gründliche Ursachenanalyse vorgenommene Lösungsversuche können nämlich das Gegenteil dessen bewirken, was gewünscht wird: Ein vorschneller Wechsel der Schulart z.B. könnte von einem Kind mit massiven Selbstzweifeln nicht (nur) als Erleichterung gewertet werden, sondern (auch) als Beleg der eigenen Unfähigkeit; und wenn die Anforderungen wieder steigen, könnte ein solches Kind erneut mit Prüfungsängsten reagieren. Fazit: Nutzen Sie die Beratungsangebote der Schule!

Wir hoffen, dass vielleicht schon diese Hinweise ausreichen, um Ihnen und Ihrem Kind im Falle von Prüfungsnervosität zu helfen.

 

Mit herzlichen Grüßen

Carolin Herrmann

Beratungslehrkraft Gymnasium Lohr

 

Autor: Alexander Geist, StD, Staatlicher Schulpsychologe, Supervisor (BDP)

© Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage 2017

(leicht angepasst)