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Willkommen bei uns am Gymnasium in Lohr!

Liebe Eltern,

die Elterninformationsbriefe sollen Ihnen nicht nur z.B. lern- und arbeitstechnische Hinweise geben, sondern auch helfen, Ihr Kind seelisch zu unterstützen. Dieser Brief ist die Fortsetzung des letzten zum Thema Loben und Belohnen. Nun geht es um hilfreiche Formen der Kritik und die sinnvolle Gestaltung von Plänen zur Überwindung von Lern- und Leistungsproblemen.

Im Gegensatz zu Lob und Belohnung ist Kritik etwas Alltägliches. Die Erfahrung zeigt freilich, dass sie oft nichts am Verhalten des Kritisierten ändert, ja sogar nicht selten (gerade bei Kindern und Jugendlichen) unerwünschtes Verhalten festigt und weitere negative Folgen hat, z.B. eine erhöhte Prüfungsangst und Selbstunsicherheit. Trotzdem wird munter drauflos kritisiert - häufig in der irrigen Meinung, man müsste die Kritik nur verschärfen, damit sie wirksam sei.

Wir vertreten nun wahrlich nicht die Ansicht, dass Kritik gänzlich zu unterbleiben habe. Es geht vielmehr darum, hilfreiche Formen der Kritik zu finden, die bewirken, dass ein Kind einen einmal gemachten Fehler nicht (oder wenigstens nicht allzu oft) wiederholt und außerdem zu einer realistischen Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten gelangt. Am Schluss behandeln wir noch Grenzen und Möglichkeiten des Strafens und Drohens. Die Ausführungen gelten übrigens für den Umgang mit dem Kind in Lernsituationen genauso wie für den Erziehungsbereich im weiteren Sinne und letztlich auch für den Umgang von Erwachsenen untereinander.

Wie beim letzten Elternbrief verbinden wir die sachlichen Ausführungen bewusst mit kleinen geistigen Übungen, um einen persönlicheren Bezug zu dem Thema herzustellen.

 

Übung 1:

Wir laden Sie zu einer Reise in Ihre Erinnerungen ein.

Denken Sie bitte zuerst an eine Situation zurück, in der Sie

selbst auf ungute Weise kritisiert worden sind:

  • Wie verhielt sich der, der die Kritik geübt hat, Ihnen gegenüber? Welche Worte wählte er?
  • Wie verhielt er sich und welche Worte benutzte er, wenn Sie die Kritik eher niedergeschmettert und Ihnen das Gefühl von Aussichtslosigkeit vermittelt hat?
  • Welche Gedanken gingen Ihnen in dem Moment durch den Kopf?
  • Welche Worte, welches Verhalten hätten Sie sich von ihm erwartet, damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Sie mit der Kritik etwas anfangen können?

Denken Sie nun an eine Situation, in der Kritik Ihnen weitergeholfen hat und Sie die Kritik annehmen konnten:

  • Wie waren die Worte und das Verhalten desjenigen, der die Kritik übte?
  • Welche Gedanken gingen Ihnen in dem Moment durch den Kopf?
  • Warum war es jetzt leichter, die Kritik anzunehmen und in der Folge etwas zu ändern?

Übung 2:

Besinnen Sie sich bitte auf Situationen, in denen Sie Kritik an ihrem Kind geübt haben. Ziehen Sie bitte mehrere Situationen heran.

  • Wie haben Sie die Kritik formuliert? Achten Sie bitte auf den genauen Wortlaut – das ist wichtig.
  • Was haben Sie mit Ihrer Kritik bewirkt?
  • Wie ging es dem Kind, wie ging es Ihnen dabei?
  • Wie haben Sie sich Misserfolge beim Kritisieren erklärt, wenn Sie also nicht erreicht haben, was Sie haben erreichen wollen?

 

Grundsätze hilfreichen Kritisierens

Kritik-Regel 1: Gezielt, nicht total kritisieren!

Vermeiden Sie es beim Kritisieren, einen Rundumschlag zu machen und Ihre Aussagen zu verallgemeinern, etwa nach der Art: „In Mathe bist du ja eine völlige Niete!“. „Bei dir geht in letzter Zeit alles schief“. „Du bist einfach dumm“. Zum Teil stellen Sie mit solchen Aussagen die ganze Person in Frage. Man muss immer bedenken: Ein Kind baut sich aus den Aussagen anderer, die sich auf es beziehen, ein Bild von sich selbst zusammen. Und es ist eben ein Unterschied, ob es mitgeteilt bekommt, es könne gewisse Gleichungen nicht berechnen oder (aus demselben Anlass!) es sei in Mathematik eine Niete. Rundumschlag-Kritiken schaden auf Dauer beträchtlich und fördern im Übrigen auch die Prüfungsangst.

 Besser ist es, sich klar und gezielt auf die kritikwürdige Handlung und nicht auf die ganze Person zu beziehen und keine Verallgemeinerungen zu gebrauchen. Negative Verallgemeinerungen verletzen.

Außerdem sollte Kritik, wenn möglich, mit Hilfe verbunden werden. Beispiele: „Diese Art von Gleichungen kannst du im Moment offensichtlich noch nicht lösen. Machen wir jetzt einmal Pause und sprechen wir sie dann noch einmal durch.“ oder „Ich habe das Gefühl, dass du bei ... und ... Schwierigkeiten hast. Wollen wir versuchen herauszufinden, woran es liegt?“

 

Kritik-Regel 2: Gefühle ehrlich aussprechen – aber ohne das Kind niederzumachen

Mit den eben beschriebenen Rundumschlag-Kritiken sind aufseiten des Erwachsenen meistens Ärger, Zorn und Wut verbunden, und zwar darüber, dass das Kind etwas nicht begreift, obwohl man ihm schon so viel glaubt geholfen zu haben. Machen Sie sich bitte bewusst: Der Zorn ist in einem solchen Fall Ausdruck Ihrer Hilflosigkeit, er ist Ihr Problem. Seien Sie so ehrlich, sich selbst und dem Kind gegenüber, genau das zuzugeben.

Wenn Sie nämlich nur ihre Wut herauslassen, mag zwar Ihnen für den Moment geholfen sein, weil es Ihnen Erleichterung verschafft. Ihr Kind aber wird entweder verschüchtert und ängstlich reagieren und keinesfalls besser lernen bzw. mehr kapieren können, oder es wird (bei anderem Grundtemperament) selbst wütend und trotzig sein. Dies hilft den Kindern jedoch ebenfalls nicht weiter.

Zugegeben – auch wenn Sie Ihrem Kind Ihre Hilflosigkeit mitteilen, wird Ihr Kind die Mathematikgleichungen, die es einfach nicht begreift, nicht sofort beherrschen. Aber Sie verhindern durch diese Reaktion eine negative Folge von Wutausbrüchen, nämlich die Verschlechterung der Beziehung zu Ihrem Kind!

 

Kritik-Regel 3: Vernünftige Maßstäbe finden

Der Maßstab Ihrer Beurteilung sollte nicht ein Ideal sein, wie Ihr Kind zu sein hat bzw. welche Fähigkeiten es zu beherrschen hat, sondern sich am tatsächlichen Leistungsvermögen Ihres Kindes orientieren. Wenn es bislang in einem Diktat 30 Fehler gemacht hat und jetzt nur mehr 25 Fehler hat, ist dies ein Fortschritt und kein Grund für Kritik. Allenfalls sollten Sie ihm in diesem Fall einige Zeit nach dem notwendigen Lob (siehe vorheriger Elternbrief) ein neues, machbares Ziel weisen; bei unserem Beispiel wäre das vielleicht die „20-Fehler-Marke“.

 

Kritik-Regel 4: Kritik in bestimmten Fällen verschieben

Ein Kind kommt mit einer schlechten Note nach Hause. Leider nicht selten reagieren Eltern darauf mit Schimpfen in verschiedenen Stärkegraden (von Nörgeln bis Schimpfkanonade), oder sie zeigen dem Kind die kalte Schulter und bestrafen es mit Liebesentzug. Manche Eltern schauen sich sofort die Arbeit an und zählen nüchtern auf, welche Aufgaben das Kind nicht beherrscht, andere garnieren ihre Aufzählung noch mit Nörgeln, Schimpfen usw. Man versetze sich nun einmal in die Lage des Kindes: Ihm ist etwas misslungen, es ist traurig oder wütend auf sich. Das, was es in diesem Moment sicher nicht brauchen kann, ist, dass es seine Eltern zusätzlich schimpfen oder kühl behandeln und überdies in den Fehlern herumbohren.

In solchen Situationen ist Kritik – in welcher Form auch immer – ganz und gar nicht hilfreich. Zweifellos wird es nötig sein, mit dem Kind Bilanz zu ziehen und zu überlegen, was warum falsch gemacht wurde und wie die Schwächen ausgemerzt werden können. Gleich nach der Herausgabe einer schlechten Prüfung braucht das Kind jedoch Trost, Ermutigung, den liebevollen Arm, der es hält. Dann, nach einiger Zeit (am besten nicht am selben Tag), sollten Sie sich zusammensetzen und die Lage in ruhigem Ton besprechen.

Gute Ratschläge sind manchmal auch Schläge – und ziellos

Auf die Kritik folgt meist noch ein „guter Ratschlag“: „Du musst halt mehr lernen!“ oder „Setz dich halt hin und tu mehr!“ Allzu oft macht man die Erfahrung, dass die Kinder trotz der guten Ratschläge ihr Verhalten nicht ändern oder nach einem kurzen Versuch in ihr altes Fahrwasser zurück gleiten. Das liegt nun nicht immer, aber doch recht häufig an der Art der Ratschläge. Denn Formulierungen wie „mehr lernen“ oder „tu mehr“ sind bei genauem Hinsehen von einem Allgemeinheitsgrad, der für Kinder nichts sagend ist. Und im Ganzen weisen ihm die Sätze keinen klaren, gangbaren, motivierenden Weg; ein Satz wie „Sei halt nicht so faul!“ gehört auch dazu, verschärft das Problem aber noch, indem die nicht-Formulierung nicht klarmacht, wie das positive Verhalten überhaupt und erst recht konkret aussieht. Fazit: All diese Ratschläge, so gut gemeint sie auch sind, stellen doch nichts anderes als die berühmten „Sylvester-Vorsätze“ dar, nur eben in Befehlsform eingekleidet.

Die Alternative besteht darin, nach Grundsätzen zu verfahren, wie sie in der verhaltenstherapeutisch und lösungsorientierten Beratung gelten. Sie müssen kein Therapeut sein, denn diese Prinzipien können alle Eltern umsetzen.

 

Grundsätze einer erfolgreichen Verhaltensveränderung im Lernbereich

Grundsatz 1: Stärken- und Schwächenanalyse

Es geht um Ursachenbetrachtung, aber im Unterschied zum Normalfall um eine sehr viel differenzierte Analyse, die außerdem sowohl die Stärken (Was klappt? Wo klappt es?) als auch die Schwächen einbezieht. Die Stärken liefern die Kraft zur Veränderungsarbeit, die Schwächen sind die Grundlage für die Planung.

Dass eine so gestaltete Analyse notwendig ist und ein Plan umso besser wird, je genauer die Ursachenbetrachtung ausfällt, ist eigentlich eine simple Erkenntnis. Trotzdem neigen Eltern wie Lehrer im Alltag nicht selten zu im Großen und Ganzen zu nichtssagend-allgemeinen Erklärungen wie „Du tust halt zu wenig!“ oder „Du bist halt nicht gescheit genug!“. Mit solchen Angaben kann kein Kind etwas anfangen – und ein Erwachsener wüsste nach einer derartigen „Erklärung“ auch nicht, wie er seine Probleme meistern soll. Kinder haben noch weniger Lebenserfahrung, um selbst auf Lösungswege zu kommen.

Suchen Sie also gemeinsam mit dem Kind nach den genauen Ursachen eines Versagens. Wenn es beispielsweise in einer Deutsch-Schulaufgabe eine schlechte Note bekommen hat, sollten Sie an Hand der Randbemerkungen und der Schlussbemerkung des Lehrers prüfen, welche Fehlertypen besonders häufig auftreten und welche Teilleistungen das Kind mindestens ausreichend oder sogar besser beherrscht. Falls Sie und Ihr Kind selber nicht genau genug Antworten auf diese Fragen finden, binden Sie die Lehrkraft ein und bitten Sie sie um eine detaillierte Rückmeldung.

Auf der Basis dieser Informationen können Sie dann (evtl. wiederum in Rücksprache mit der Lehrkraft) ein gezieltes Programm zusammenstellen, wie Ihr Kind seine Schwierigkeiten meistern kann. Nun umfasst ein solches Programm mindestens zwei Komponenten: Ziele und Wege. Beide müssen gut durchdacht sein, damit das Vorhaben gelingen kann.

Falls Sie den Eindruck haben, Ihr Kind lernt schlicht zu wenig, sind sich dessen aber nicht sicher oder wollen Ihr Kind dazu animieren, sich dieses Umstands selbst bewusst zu werden, dann vereinbaren Sie mit ihm, dass es für zwei Wochen ein Lerntagebuch führt, in dem es alle Lernaktivitäten festhält. Es kann in Spaltenform angelegt werden: von … bis … Uhr, Lerntätigkeit in Stichpunktform (z.B. Vokabeln Lektion 14 lernen, Grammatikübung im Sprachbuch S. 14, Nr. 4). Dieses Lerntagebuch kann dann Grundlage für die weitere Planung sein, wenn es um das Ziel „mehr lernen“ geht.

 

Grundsatz 2: Erreichbare Ziele setzen – und das Hauptziel in Teilziele zerlegen

Wenn Ihr Kind zu wenig Zeit für das Lernen aufwendet, z.B. nur zwanzig Minuten, ist es ein unerreichbares Ziel, von ihm sofort zwei Stunden Arbeit zu verlangen. Es wird vielleicht ein paar Tage zwei Stunden lernen, dann aber wird die Arbeitszeit immer kürzer; und selbst wenn es am Schreibtisch sitzt, ist es unter Umständen geistig ganz woanders. Kurzum: Das Kind verfällt in alte Verhaltensmuster.

Vereinbaren Sie daher, wenn es um das Thema Arbeitszeit geht, mit Ihrem Kind ein schrittweises Steigern der Arbeitszeit, und zwar in erreichbaren Etappen (z.B. in der ersten Woche dreißig Minuten, in der zweiten vierzig Minuten usw.). Dieses Vorgehen ist zwar scheinbar sehr langwierig und langsam, aber die Wahrscheinlichkeit, das Endziel zu erreichen, ist wesentlich höher.

Analog verhält es sich, wenn es um die Bewältigung eines Berges von Stofflücken geht. Die Zerlegung in Teilziele besteht hier darin, einzelne, sehr überschaubare Stoffpakete (besser: Stoffpaketchen) zu definieren, die in einem Zeitrahmen bewältigbar sind, der anfangs nicht zu weit über dem bisherigen Zeitaufwand liegt. Beides erhält die Motivation.

 

Grundsatz 3: Einen genauen Plan erstellen

Wenn ein Kind in einem Fach umfangreichere Lücken hat, beispielsweise im Wortschatz, ist es wenig hilfreich, ihm zu sagen, es solle eben die Vokabeln wiederholen; dass das nötig ist, weiß es selbst. Unklar ist ihm aber höchstwahrscheinlich, wie es im Einzelnen vorgehen soll. Entwerfen Sie daher mit Ihrem Kind zusammen einen „Schlachtplan“, in dem Sie beide festlegen, an welchem Tag das Kind welche Vokabellektionen wiederholen soll und wie die Überprüfung aussehen soll. Aber im Regelfall gehört noch etwas dazu: eine Auseinandersetzung mit der Methode, wie das Kind sich die Wörter nun merken soll. Gemeinhin hat ja die bisherige Methode nicht funktioniert (auf den Ausnahmefall, dass es die Wörter gar nicht gelernt hat, gehen wir jetzt hier nicht ein, weil das seltener das eigentliche Problem ist).

Am besten ist es, gemeinsam an Erfolgsmomente oder Ausnahmefälle zu denken: „Wie hast du es damals gemacht, dass die Wörter in deinem Gedächtnis blieben?“ Menschen nehmen gewöhnlich Lösungswege, die bei ihnen schon einmal funktioniert haben, eher an als neue Verfahren, bei denen sie nicht sicher sein können. Manchmal lassen sich Erfahrungen aber nicht übertragen: Wenn ein Kind sich englische Vokabeln besser merken kann, weil es diese im Unterricht laufend hört und spricht oder weil es sie auch in Songs und Filmen hört, ist das schön, aber realistischerweise nicht auf das Fach Latein übertragbar. Hier muss man erst passende Methoden finden – scheuen Sie sich nicht, in diesem Fall die Lehrkraft oder auch Beratungslehrkräfte anzusprechen bzw. in die Planung einzubinden. Manchmal hilft ein kurzer Input von dieser Seite mehr, als wenn Sie durch zig Lernhilfeseiten im Internet surfen. Beratungslehrkräfte wissen, mit welchen Fragen und Strategien sie mit Ihrem Kind auf eine Lösung kommen.

Mit diesen Elementen kann nun ein Plan erstellt werden, der eine höhere Realisierungschance hat als ein bloßer Appell. Er umfasst, allgemein gesprochen, folgende Elemente:

  • Teilziele,
  • zugeordnete Stoffpakete,
  • Zeitfestlegungen,
  • mithin überschaubare und bewältigbare Tagesportionen (vgl. Grundsatz 2)
  • und schließlich die Methoden des Lernens oder (wenn es z.B. um Hausaufgaben und das Lernen im Allgemeinen geht) den optimalen Ort (Kinderzimmer sind meist der zum Lernen ungeeignetste Ort), die optimale Zeit und die beste Zeittaktung festzulegen.

Immer wenn ein Tagespensum geschafft ist, kann das Kind dies durch Abhaken oder Durchstreichen auf dem Plan sichtbar machen – schon das ist eine Belohnung, denn es belegt das erfolgreiche Bewältigen einer Zwischenetappe.

Grundsatz 4: Den Teufel an die Wand malen, um ihn zu bannen: mögliche Hindernisse bedenken und den Umgang mit ihnen einplanen

Der beste Plan scheitert oft daran, dass mögliche Hindernisse nicht bedacht werden. Die Leitfrage an das Kind lautet: „Was könnte dich von der Umsetzung des Plans abhalten?“ Die Gefahren (oder: die verführerischen Teufel …) sind vielfältig und reichen vom Handy in der Hosentasche oder in Sichtweite über die mangelhafte Berücksichtigung von Einflussfaktoren (z.B. Sporttrainingszeiten oder einer Schulaufgabe, deren Vorbereitung einfach mit dem geplanten zusätzlichen Üben zum Aufarbeiten von Lücken kollidieren) bis hin zu ungünstigen zeitlichen oder räumlichen Bedingungen. Die Hälfte der Zeit für die Erstellung eines Plans muss erfahrungsgemäß auf die Auseinandersetzung mit diesen möglichen Hindernissen verwandt werden und wie man sie umgehen oder vermeiden kann. Denn wenn man sich damit erst beschäftigt, wenn ein Plan misslingt, reduziert das die Motivation auf beiden Seiten: Das Kind gewinnt den Eindruck, dass das Ganze ohnehin nichts bringt, und die Eltern sind sauer. Und schon treten wieder alte Konflikt- und Kommunikationsmuster auf.

 

Grundsatz 5: „Verstärker“ einbauen

Wenn ein Kind Wissenslücken schließen oder falsche Lernverhaltensweisen ändern soll, ist dies ein langer Weg. Um das Endziel zu erreichen, ist es nötig, hin und wieder zur Motivation sogenannte „Verstärker“ einzubauen. Verstärker reichen von einfachen Bekundungen der Zufriedenheit (ein freundliches Wort, ein Zulächeln usw.) bis hin zu Belohnungen – einiges dazu steht im letzten Elterninformationsbrief. Kleine Belohnungen können übrigens vor allem bei der Bewältigung des Problems einer unzureichenden Arbeitszeit durchaus sinnvoll sein; sie müssen natürlich langsam verringert werden, damit das Kind sie nicht als das eigentliche Ziel betrachtet. Und allgemein gilt immer: Loben und belohnen Sie Ihr Kind nicht für erzielte Noten, sondern für den Aufwand vorher, d.h. für die Planerfüllung. Natürlich dürfen Sie und Ihr Kind die Noten genießen …

Strafen und Drohen

Dies ist ein besonders schwieriges Kapitel, das im Rahmen dieses Informationsbriefes nur angetippt werden kann. Für Eltern (und Lehrer!) sind das Strafen und das Drohen – realistisch betrachtet: oft aus ihrer Hilflosigkeit heraus – das einzige Mittel, um auf Fehler oder Fehl-Verhaltensweisen eines Kindes zu reagieren. Nicht wenige Erwachsene kennen aus eigener Erfahrung auch keine anderen Mittel. Das gilt umso mehr, wenn man schnell und spontan reagieren muss: Dann greift man eben zu diesem vermeintlich einfachen und erfolgreichen Mittel. Oft genug ist es aber nicht einmal im Moment erfolgreich, und die unerwünschten Neben- und Langzeitwirkungen sind beachtlich; vor allem dann, wenn Strafen und Drohen die einzigen oder vorherrschenden Erziehungsmittel sind.

Gelegentliches Strafen und Drohen von einem Erzieher ist hingegen wohl weniger problematisch und kann bei bestimmten Kindern und unter bestimmten Umständen auch durchaus eine anhaltende positive Wirkung zeigen. Ein Beispiel: Falls eine Lehrkraft für ein eklatantes Fehlverhalten einen Verweis ausspricht (und sonst mit Verweisen sehr sparsam umgeht), drückt sie mit diesem symbolischen Akt aus, dass eindeutig eine „rote Linie“ überschritten wurde; manche Kinder brauchen einen solchen deutlichen Hinweis. Es gibt dann genügend Betroffene, die aus diesem Erlebnis heraus von sich aus erschließen können, wie angemessenes Verhalten aussieht. Denen, die dazu nicht in der Lage sind, muss die Lehrkraft in Kooperation mit den Eltern natürlich helfen, den Weg zu finden – und dabei die Grundsätze eine sinnvollen Planung von Veränderungen berücksichtigen.


Strafen und Drohen sind übrigens etwas anderes als „Konsequenzen einer Handlung spüren lassen“ und „auf negative Folgen einer Handlung hinweisen“:

  • Wenn mich ein Kind im Pubertätsalter flegelhaft anredet und ich ihm dann eine Zeit lang „die kalte Schulter zeige“, so ist das keine Strafe, sondern Ausdruck meines eigenen Verletzt-Seins, das dem Kind durchaus deutlich werden muss.
  • Falls ein Kind zu wenig lernt und deshalb schlechte Noten schreibt, ist eine Einschränkung der Freizeit keine Strafe, sondern logische Folge des negativen Verhaltens. (Dabei ist natürlich zu klären, warum ein Kind wenig lernt – es gibt immer wieder Gründe, z.B. Überforderung, auf die anders als in dem eben beschriebenen Beispiel reagiert werden muss.)
  • Weise ich einen Schüler darauf hin, dass er schlechte Noten bekommen werde, falls er weiterhin so schlampig seine Hausaufgaben macht, weil er nämlich auf diese Weise nichts dazu lernt, ist das keine Drohung, sondern ein (notwendiger!) Hinweis auf die negativen Folgen eines Handelns.

Dass Kinder (und Erwachsene) solche Hinweise bzw. die Konsequenzen einer Handlung als Drohung bzw. Strafe empfinden, steht auf einem anderen Blatt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf Strafen und Drohen im eigentlichen Sinne, d.h. auf erzieherische Verhaltensweisen, die vom Gefühl diktiert sind und keine Problemlösemöglichkeit beinhalten.

 

Beim Strafen und Drohen möge man Folgendes bedenken:

  • Die negativen Folgen der Strafebeim Bestraften sind oft größer als der Nutzen: Wut und Aggressionen, Verunsicherung und Angst, Vertrauensverlust gegenüber dem Bestrafenden, Entwicklung von Ausweichmethoden (Lügen, Betrügen, Beschuldigen anderer), Rachegedanken und Vergeltungsüberlegungen.
  • Manche Drohungen sind schlicht nicht zu verwirklichen:Kinder erkennen das bald und nehmen die Drohungen natürlich nicht mehr ernst, ändern aber auch ihr Verhalten nicht bzw. nicht langfristig.
  • Das fragwürdigste aller Erziehungsmittel, oft noch brutaler als Schläge, ist das Drohen mit Liebesentzug, weil dabei die Abhängigkeit des Kindes und sein Grundbedürfnis nach Zuwendung, Anerkennung und Liebe ausgenutzt wird. Kinder, die oft mit Liebesentzug bestraft werden, entwickeln eine tiefe Unsicherheit, ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber anderen Menschen und nicht selten Persönlichkeitsstörungen.
  • Strafen nach schlechten Noten bieten keinerlei Hilfen, um dann das nächste Mal erfolgreicher zu sein.
  • Strafen stehen oft in keinem sinnvollen Bezug zur Handlung. Das vierzehntägige Fernsehverbot hat mit einer schlechten Mathe-Zensur zunächst nichts zu tun!
  • Statt einer Strafe ist es also immer besser, mit dem Kind zusammen die Ursachen zu besprechen, einen Plan zu entwickeln usw. Sollte ein zu großer Fernsehkonsum nachgewiesenermaßen schuld an den schlechten Noten sein, muss er natürlich dauerhaft (nicht nur für vierzehn Tage) auf ein vernünftiges Maß verringert, aber nicht auf null herabgesetzt werden. Jetzt handelt es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine logische Konsequenz. Sollten Sie wirklich den Eindruck haben, nur mehr eine Strafe könne helfen, ist es besser, zunächst mit einem neutralen Dritten (Freund(in), Lehrkraft, Beratungsfachkraft) zu reden – vielleicht findet man gemeinsam doch noch einen sinnvolleren Weg.

Dieser Brief ist sehr umfangreich. Überfordern Sie sich nicht, indem Sie sich vornehmen, sofort alles in die Tat umzusetzen. Vielleicht gelingt es Ihnen aber im Lauf der Zeit, den einen oder anderen der dargestellten Gesichtspunkte zu realisieren. Wie bei Ihrem Kind sollten auch Sie bei sich schon kleine Fortschritte wertschätzen.

 

Mit herzlichen Grüßen

Carolin Herrmann

Beratungslehrkraft Gymnasium Lohr

 

Autor: Alexander Geist, StD, Staatlicher Schulpsychologe, Supervisor (BDP)

© Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage 2017

(leicht angepasst)